Samstag, 5. November 2005

>Das Politische< und die Öffentlichkeit

Am Donnerstag fand eine öffentliche Abendveranstaltung statt. In dieser referierte Dr. Oliver Marchart über Möglichkeiten der Demokratisierung der Medien, speziell der öffentlich-rechtlichen Medien.

Die in diesem Kontext notwendigen Annahmen, Bedingungen und Strategien hat Dr. Marchart in den acht folgenden Thesen subsumiert:

  1. Öffentliche oder öffentlich-rechtliche Medien können nur in dem Ausmaß "öffentlich" genannt werden, in dem ein Raum des Konflikts entsteht und sie einem aktiven "Publikum" zutritt verschaffen.

  2. Nur solche Medien, die in diesem Sinne als "Öffentlichkeiten" bezeichnet werden können, können auch legitimerweise demokratisch genannt werden.

  3. An diesen Kriterien gemessen sind die Medien und Öffentlichkeiten, wie wir sie kennen, d.h. die Massenmedien unserer real existierenden liberal-demokratischen Regime, weder öffentlich noch sind sie demokratisch.

  4. Es folgt, daß die Medien zu potentiellen Öffentlichkeiten gemacht werden müssen, und zwar indem sie demokratisiert werden.

  5. Um die Medien zu demokratisieren, müssen wir die Demokratie demokratisieren. Das heißt, wir müssen das demokratische Imaginäre, den demokratischen Horizont vertiefen und radikalisieren. Ein solches politisches Projekt kann man "radikale Demokratie" nennen.

  6. Die Demokratisierung der Medien ist ein Eckpfeiler jedes radikaldemokratischen Programms, denn Demokratien herrscht nur dort, wo es Öffentlichkeit gibt, und die Medien besitzen die materielle und institutionelle Infrastruktur, um die Bedingungen dafür herzustellen, dass Öffentlichkeit entsteht.

  7. Die Demokratisierung der Medien wird nicht gelingen, wenn sie nicht Teil eines breiteren hegemonialen Kampfes ist. Die Radikalisierung der Demokratie auf allen Ebenen beinhaltet eine Veränderung der Weise, in der Menschen sich ihr Leben in der Gesellschaft vorstellen (sog. Alltagsverstand). Sie beinhaltet die Konstruktion eines neuen hegemonialen Konsenses.

  8. Der Kampf um wirklich demokratische Medien ist nicht allein eine Frage der Medienpolitik im Sinne von policy. Wenn wir es den Technokraten, Bürokraten und Medienberatern überlassen, neue Medien-policies zu ersinnen, wird sich nichts ändern.Radikale Demokratie dreht sich nicht um die Erfindung einer neuen policy, sondern um die Erfindung einer neuen Politik, oder besser: die Neuerfindung des Politischen.

„Haut dem Springer auf die Finger“ – Öffentlichkeitskonzepte und Medienkritik neuer sozialer Bewegungen

Eine Auseinandersetzung mit den Medientheorien und –praxen der Neuen Sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik sollte auch als Auseinandersetzung mit der Geschichte eben dieser sozialen Bewegungen verstanden werden, so lautete die These von Dr. Gottfried Oy.

In seinem Vortrag gab er zuerst einen Überblick über die Medienprojekte sozialer Bewegungen von den 1960er Jahren bis heute, hierbei konstatierte er dass nicht von einer kontinuierlichen Entwicklung Alternativer Medien gesprochen werden kann. Stattdessen seien sowohl Brüche als auch Versuche der Weiterentwicklung verschiedenster Ansätze zu beobachten, dies sei analog zu der diskontinuierlichen Struktur sozialer Bewegungen zu betrachten.

Die Entwicklung der alternativen Medien
Diese wurde anschließend in Verbindung mit drei idealtypischen Konzepten porträtiert:

Sorge um die Demokratie: Gegenöffentlichkeit
Hierbei wurde auf die 1970er Jahre als Jahrzehnt der alternativen Publizistik rekurriert, begründet in dem Modell der Gegenöffentlichkeit. Dieses wurde 1967 vom SDS erstmals dargestellt undbeinhaltete, nach R. Dutschke, eine Form der Öffentlichkeit zu schaffen, in der die Intellektuellen „mit dem Volk und nicht über das Volk“ sprechen.

Kritik der Massendemokratie: Betroffenenberichterstattung
Bei diesem Konzept handele es sich um eine Art Medienkritik, in dieser wurde den Massenmedien unterstellt, dass sie durch ihre anonyme und einseitige Struktur einen realen Meinungs- und Wissensaustausch verhindern.

Emanzipative Strategie: Kommunikation
Hierbei handele es ich um ein Rückkanal- oder Interaktivitätsmodell, welchesdavon ausgeht,das nur ein grundlegender Wandel des Verhältnisses von Medienproduzenten und -rezipienten eine Umwälzung der Struktur der Medien und somit der Gesellschaft hervorbringen könne. Kommunikation kann demnach nicht mehr an sich als demokratisierend beschrieben werden, es geht vielmehr darum, benennen zu können, welche Aspekte von Kommunikation - ehemals in emanzipativem Sinne eingefordert, heute machtkonform integriert - öffentliche Räume anders strukturieren würden und welche inzwischen fester Bestandteil dieser Räume sind.

Im weiteren stellte Oy dar wie es möglich zu überprüfen inwieweit diese Konzepte Eingang in Inhalt und Konzept moderner Medien gefunden haben. Hierzu schlägt er vor die Grundlagen dieser Konzepte, dies sind Politik in erster Person, Betroffenheit und Authentizität, Verbreitung zurückgehaltener Nachrichten, Verwirklichung des Rückkanal-Theorems, nichthierarchische Arbeitsteilung und schließlich ökonomische, institutionelle und (partei)politische Unabhängigkeit, zu nutzen.

Ergebnisse:
Der Einzug von Politik in erster Person, Betroffenheit und Authentizität in die Massenmedien sei sicherlich am deutlichsten zu beobachten. Losgelöst von politischen Inhalten, würden Betroffenheit und authentische Meinungsäußerung selbst zum Inhalt und verliehen den Medien ein kritisches Image.

Die Verbreitung zurückgehaltener Nachrichten: Rein quantitativ könne davon ausgegangen werden, dass mittels zunehmender Anzahl von Printmedien, Fernsehkanälen, Hörfunksendern und Onlineangeboten die Zahl der veröffentlichten und auch relativ breit zugänglichen Informationen zunähme. Allerdings zeige sich ebenso, dass auch die vermehrte Anzahl an Publikationsmöglichkeiten kein Verlassen des vorher festgesteckten hegemonialen Terrains ermögliche.

Verwirklichung des Rückkanal-Theorems: Der “Rückkanal” als technische Möglichkeit sei längst eingeführt, eine tatsächliche Umwälzung der Verhältnisse in der Medienwelt lasse aber weiter auf sich warten.

Die Aspekte der angestrebten nichthierarchischen Arbeitsteilung und der damit zusammenhängenden ökonomischen und parteipolitischen Unabhängigkeit innerhalb der Projekte der alternativen Medien hätten als Innovationspotenzial für die Umstrukturierung der Produktion fungiert.

Internet und Gegenöffentlichkeit
Im Folgenden skizzierte Oy anhand des Projektesindymedia die heutige Situation alternativer Medien. Indymedia sei die wohl bekannteste, internationale Plattform für alternative Nachrichten im Internet. Gegründet 1999 anläßlich der globalisierungskritischen Proteste in Seattle, praktiziere indymedia eine Art traditionelle, aufklärerische Spielart von Gegenöffentlichkeit in Reinform - und beinhalte dennoch weitergehende Momente.

Bis heute hätten sich zwei Richtungen der Netznutzung durch soziale Bewegungen herauskristallisiert: das Internet als virtuelles Äquivalent der Straße, als Parallelraum und auf der anderen Seite als qualitativ neue, produktive und sich vernetzende soziale Praxis . Mit dem Internet sei sozusagen zum ersten Mal historisch die Situation eingetreten, dass zentrale Forderungen gegenöffentlicher Konzepte tatsächlich auch umgesetzt werden könnten: Statt einem Sender und vielen Empfängern gäbe es nun tatsächlich viele Sender und viele Empfänger; bis hin zur tendenziellen Auflösung der Sender-Empfänger-Hierarchie in open publishing Systemen.

Ausblick: Mehr Fragen als Antworten (Zitat)
"Die politische Gegenöffentlichkeit thematisiert ihre Krise (die manche Autoren schon in den Siebzigern ansetzen) in Abgrenzung zu den Massenmedien, die in erster Linie ökonomische Aspekte in den Vordergrund rücken, unter einem anderen Fokus. Ein aktuelles Beispiel: Im Kontext der öffentlich gemachten Existenzkrise der erst 1997 gegründeten Wochenzeitung Jungle World entstand 2004 ein Internetforum, in dem die zentralen Thesen versammelt waren - das aber bezeichnenderweise mangels Teilnahme nach einigen Monaten wieder geschlossen wurde. Neben dem ökonomischen Druck, den Publikationen, die noch nie von einer Zweidrittelkalkulation ausgehen konnten, natürlich anders erleben, war dort von einer “Wagenburgmentalität" der verbliebenen gegenöffentlichen Zeitschriftenprojekte die Rede. Es gäbe innerhalb der Linken, die sich maßgeblich um ihre Medien gruppiere, kaum noch das Interesse an Szene und Spektren übergreifenden Debatten. Darüber hinaus zeige sich das Problem eines veränderten Informationsverhaltens. Zudem sei die politische Rolle gegenöffentlicher Medien oft ungeklärt: Verstehe man sich als kollektiver Organisator, als Organ einer Bewegung oder Ort des Überwinterns in bewegungslosen Zeiten, oder entspricht das Selbstverständnis eher dem einer Plattform für die verschiedensten Positionen? Ebenso offen sei das Selbstverständnis der Redakteure und freien Mitarbeiter, die zwischen der Selbstwahrnehmung als Lohnschreiber, Meinungsmacher oder Mittler zwischen Medien und Akteuren sozialer Bewegungen schwanken würden. Kurz und gut: So wie in den Massenmedien hat sich auch innerhalb der gegenöffentlichen Medien der Diskurs über die Krise der Medien etabliert.

Ist nun das Konzept Gegenöffentlichkeit endgültig überholt? Macht es - provokativ formuliert - noch weiterhin Sinn, in der Regel journalistisch handwerklich schlechte Produkte herzustellen - nur wegen eines, zudem noch permanent in Frage gestellten, politischen Mehrwerts? Ich meine: Mit Sicherheit ja, denn die Notwendigkeit der Auseinandersetzung um Realitätsdeutungen und deren informationelle Grundlagen - einer Arbeit am Diskurs - besteht in jeder gesellschaftlichen Situation, so auch heute. Es geht dabei um eine Rückbesinnung auf die Stärken der Alternativen Medien: Sie unterscheiden nicht zwischen den Aspekten Information, Kontextualisierung und Vernetzung. Während den bürgerlichen Medien Information ein Wert für sich ist, steht eben diese innerhalb Alternativer Medien immer im Kontext politischer Debatten. Kontextualisierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es zum einen die „pure“ Information garnicht geben kann, weil sie immer diskursiv eingebettet ist - es also darum geht, diese Einbettung sichtbar zu machen - und zum anderen, dass vermeintlich wertfreie Informationen ins Leere laufen, von den Rezipienten nicht verarbeitet werden können. Vernetzung schließlich meint, dass Alternative Medien immer auch Orte der politischen Kommunikation sind und somit selbst zu einer Organisationsform jenseits von Partei und Verein werden.

Es gelingt den Alternativen Medien somit, zumindest für einen begrenzten Zeitraum, Elemente eines kritischen Gegendiskurses zu etablieren. Das Modell Alternative Öffentlichkeit als gesellschaftskritisches Konzept kann seine Wirkung allerdings nur entfalten, indem es nicht als isolierte Medientheorie, sondern als umfassende Gesellschaftstheorie begriffen wird. Eine Theorie, die sich immer wieder praktisch umsetzen lässt, zeitlich und örtlich begrenzt, ohne Hoffnung auf großen politischen oder ökonomischen Mehrwert - aber dennoch Erfolg versprechend, so paradox das klingen mag. "

Medienanalyse: Spielfilmmaterial zu Medien & Identitätspolitik

Nachtrag zu Donnerstag

Hauptfrage: Wie kann eine Nation dargestellt werden?

Beispiel: „Das Wunder von Bern“ (2004)

Darstellung von Identität:
  • geografischer Durchschnitt -> Orte: Essen, Berlin, Bayern
  • Visualisierung eines Straßenfegers: Leere weist auf
  • Versammlung um das Ereignis hin, bringt Leute zusammen
    Trauben von Menschen vor Fernsehgeschäften, Lokalen und Wohnungen
  • Warum werden keine Wahrzeichen dargestellt? -> Personalisierung anstatt „Postkartenmontage“, Betonung der Menschen
Schwierigkeit der Visualisierung eines komplexen Gebildes einer Version wird gelöst durch:
  • Wahl eines Ereignisses als Hilfe, etwas gemeinsames zu zeigen
  • Zusammenführung von Orten (leer oder besetzt mit Leuten, die das Ereignis verfolgen)
Erweiterung: Übertragung auf die internationale Ebene am Beispiel "Independence Day"

Thema: Bedrohung nicht eines Staates, sondern der ganzen Welt
Überlegungen zur Darstellbarkeit:
  • Zeigen von Menschen an „objektiven“ Orten, die nicht direkt zugeordnet werden können: Darstellung von "Naturvölkern§ bzw. Menschen in natürlicher Umgebung, hier Differenzierung von Darstellung der USA relevant
  • Suggerieren von Internationalität durch Darstellung „alternativer“ Nationalitäten oder Orte bzw. offensichtlich „unbedeutender“ Orte
  • Zusammenarbeit von Antagonisten, die sich nun gemeinsam wehren müssen
  • insgesamt ist die Darstellung auf Stereotypisierung angewiesen, die jedoch problemlos erkennbar sein muss (d.h. Überschreiten/Aufheben von Stereotypen nicht möglich)

Freitag, 4. November 2005

Abschlussdiskussion

Ausblicke
  • Kulturproduktion v. Internet
  • Intermedialität
  • --> Software
  • Spieleindustrie
  • medienpolitische Klasse ("Promis")
  • Vergleich von Mediensystemen?
weitere medienwissenschaftliche Fragestellungen:
  • Begriffsumdeutung etc.
  • medienhistorische Reflektion, um Handlungsmaxime zu entwickeln

Kommunikationsguerilla? Aktuelle Praktiken selbstbestimmter Öffentlichkeiten und medialer Vielfalt

Vorstellung der Projekte

Gabi Hinderberger (KlackZwoB)
KlackZwoB befasste sich mit einem Videoprojekt, das Themen behandelte, die in den lokalen Medien nicht auftauchten. In diesem Rahmen wurden ca. 10 Jahre lang Beiträge im Endstation-Kino (Bochum-Langendreer) ausgestrahlt. Der Versuch, das Projekt an Schulen zu etablieren, scheiterte jedoch.

Ende der 90er Jahre startete gleichzeitig (aus der Videobewegung der 70er Jahre) eine GbR aus regionalen Gruppen, die – in Konkurrenz zu RTL und Sat 1 – eine frei werdende Sendefrequenz zu belegen versuchten. „Kanal 4“ erhielt ein Programmfenster auf dieser Frequenz. Gezeigt wurden Filme, Talkshows, Dokumentationen und andere Formate, die woanders nicht gesendet werden konnten.
Aktuell gestaltet KlackZwoB das Filmfestival Blicke.

Ralf Pandorf LabourNet.de
Das Projekt aus Bochum ist Teil einer international vernetzten gewerkschaftlichen Organisation. Publikationen werden fast täglich veröffentlicht, wichtig ist jedoch auch das eigene Forum, das Gegenöffentlichkeit und Gegeninformation herstellen soll. Bedeutend ist hierbei die Vernetzung mit Betrieben verschiedener Branchen und in verschiedenen Ländern.

Probleme, die in den Belegschaftszeitungen der etablierten Gewerkschaften nicht auftauchen, werden – soweit möglich – bei LabourNet veröffentlicht. Unterstützt werden weiterhin einzelne Kollegen, falls Probleme auftauchen. Auch hier sind die Verbreitung von Informationen und die Vernetzung bedeutend.
Schwierigkeiten ergeben sich v.a. aus der großen Menge an zu bearbeitenden Informationen sowie aus der Sprachenvielfalt in der übernationalen Zusammenarbeit.

Oliver Lerone Schultz (laborB*)
Gruppe von 5-10 Personen, die sich mit der „zukünftigen Öffentlichkeit von/für global labor“ befasst. Die Tatsache, dass die internationalisierte Realität einer globalisierten ökonomischen Ausbeutung und Lohnabhängigkeit(bisher) nicht medienkulturell aufgegriffen wird, stellt einen Anlass für das Projekt dar.

laborB* ist mit anderen Organisationen vernetzt, die sich mit Medien und Medienkultur beschäftigen. Wichtiger als die Kritik an „etablierten“ Medienangeboten ist für laborB* der Aufbau eigener, alternativer Angebote im Sinne „strategischer Öffentlichkeit“.

Gegenöffentlichkeit wird verstanden als „Bewegungszustand“ von sozialen Bewegungen und Akteuren. Interessenvertretung ist in diesem Zusammenhang auf Öffentlichkeit angewiesen, mit deren Herstellung sich die Bewegungen beschäftigen.

Donnerstag, 3. November 2005

Medien & Identitätspolitik

Unter der Prämisse das Politik steuern muss, stellt sich die Frage ob Medien Selbststeuerungsfunktion übernehmen können?
Es sind folgende Gesellschaftstypen, welche mit Regierbarkeit zusammenhängen, existent:
  • Disziplinargesellschaft
  • Kontrollgesellschaft (Einhaltung von Regeln wird kontrolliert)
  • Gesellschaft, deren Mitglieder Selbststeuerung übernehmen

Der eigentliche Ausgangspunkt sind die Annahmen das sowohl mit Vergangenheit als auch mit dem Orientierungssystem eines Individuums, als auch mit Idenität, Politik gemacht werden kann.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, was geschieht zu diesem Zweck in den Medien?

Beispiel: Malcolm X (Filmbiografie von Malcolm Little, 1992, Regie: Spike Lee)

  • Nachruf am Ende des Films, anschließend Anruf/Aufruf, völlig unsentimentaler Schluss: statt dessen ein eher militanter Appell.
.
  • Mit der Bennung "Malcolm X" verbindet sich die Option das jeder diese Identität annehmen kann, "X" steht hier im Sinne von x-beliebig, wie am Ende des Films dargestellt wird.
  • Malcolm X’ Testament wird durch Identitätsaneignung vollstreckt

Beispiel: Kampagne „Du bist Deutschland“ (2minütige Werbesendung)

Der Werbespot ist als Modell der Identitätspolitik zu verstehen.
Potentielle Reaktionen auf den Spot:

  • „das ist eine einzige Qual“ (körperliche Abwehr)
  • Frage nach Verantwortlichkeiten (Wer steht dahinter? Was soll das?) – Hintergrundwissen und Aufklärung werden hinterfragt
  • Gedanken/Ahnung: handelt es sich um einen institutionalisierten Diskurs? – Diskurstaktik: wie kann das Gesehene unterminiert werden (d.h. überbieten oder umpolen)
Weitere Arten des Umgangs: medienwissenschaftliche Perspektive (Betrachtung als Medienprodukt) und medienwissenschaftliche Untersuchung der Kampagne:
  • Frage nach dem Format 
  • Frage nach dem Zeitpunkt 
  • Gestaltung und Struktur 
  • Vergleich mit anderen Appellen möglich, um das Spezifische abzuleiten (z.B. Nitzsche: „Werde du selbst!“ oder „Wir sind Papst!“).
  • Gibt es medienpolitische Maßnahmen, um unsere Identität zu erweitern? – Spot unterstützt bei der Beschäftigung mit dieser Frage.

Elemente der anschließenden Diskussion:

  • Abgrenzung z.B. zu nationalsozialistischen Parolen: Herstellung einer Gemeinschaft anstatt „Stolz“
  • Betonung des Zusammenschlusses anstatt der Abgrenzung
  • Aufforderung zur Selbstsorge, anstatt auf staatliche Leistungen zurückzugreifen 
  • ökonomische Fragestellungen
  • Heterogenität innerhalb des Spots, die zu einer Einheit zusammengefasst wird, kann insofern problematisiert werden, weil sie die Definition eines „Außen“, das nicht dazugehört, provoziert
  • „Du bist Deutschland“ ist schwierig, weil die Formulierung zwar auf Gemeinsamkeiten (Identität) zurückgreift, aber grundlegende Unterschiede und Differenzen ignoriert.

Medienanalyse: Unterhaltungsformate, Talk- & Gerichtsshows - Auszug

Arbeitsgruppe "Dismissed (mtv)"

Thema der Gruppendiskussion ist die Analyse der Ökonomisierung des Sozialen an Hand der Sendung. Darunter ist die Transformation der Alltagssphäre insofern zu verstehen, als das eigene Selbst als potentielles Humankapital aufgefasst wird.

Die Untersuchung erfolgt aus zwei Perspektiven: Wie erfolgt die Konstruktion von Figuren durch formale Verfahren (Schnitt, Bild usw.)? Was sind die Effekte für die Zuschauer?

Welche Persönlichkeitsmerkmale spielen also eine Rolle für die Konstruktion von Profil oder Humankapital einer Person?

Erarbeitet wurden die folgenden Kriterien:
Ästhetik / Verfahren
  • Abfolge: Präsentation und Inszenierung von Protagonisten
  • Splitscreen-Verfahren
  • Ton / Musik
  • Einstellung: Großaufnahme – Nah – amerikanisch -> Körper
  • Text / Sprache / Jargon
  • Setting / Location
  • Schnitt / Zeitstruktur
Bereich des Alltags / Kultur
  • Inhalt von Text/Sprache
  • Selbstinszenierung / Rollenverhalten, „Lifestyle“
  • „Coolness“
  • Konkurrenzverhalten
  • binäre Opposition: „Körper/Distanz“ -> Objekt des Begehrens
Wissen/Effekte des „Selbst“
  • Vergleich: Selbstdarstellung
  • Herstellung von „Äquivalenzen“ (Personen müssen vergleichbar gemacht werden, um feststellen zu können, wer besser abschneidet) -> „reine Formen“ von Konkurrenz
  • Normalisierung? / Optimierung
  • Zielgruppe
  • -> das eigene „Humankapital“ einschätzen
  • Konzept der Selbstaktivierung
  • permanente Selbstoptimierung
  • -> „Vernunft“ vs. „Selbst“

Die Selbstaktivierung des Bürgers durch das Fernsehen

Es findet eine Abkehr vom Habermas´schen Öffentlichkeitsbegriff statt, da Kulturpraktiken, die durch die Medien produziert werden, festgestellt werden sollen.

Zu Beginn wurde ausgeführt, dass eine Transformation in den Kulturpraktiken des gegenwärtigen Fernsehens in Deutschland festzustellen ist. Diese hängt zusammen mit dem Selbstverständnis und dem (Eigen-)Auftrag der Medien, dieser hat sich auf Basis der
Veränderung des Selbstverständnisses der Medien vom zur Verfügung stellen von Wissen hin zur Selbstwahrnehmung als Dienstleistungsproduzenten mit den Zuschauern als Kunden verändert.

Es geht insofern nicht nur um Informationsvermittlung, sondern auch um „Dienstleistungen“ gegenüber „Kunden“.Diese Kunden nutzen die Medien für die Erfüllung der eigenen Interessen.
Es existiert eine Veränderung des Selbstverständnisses der Medien von „Wissen zur Verfügung stellen“ hin zum Dienstleistungsproduzent en (Zuschauer als Kunden)

Von der Aktivierung zur Selbstaktivierung (Beispiele)

Kampagne "Du bist Deutschland":
Die Medien entwickeln ein Profil für die Zuschauer, damit diese fit werden für den kapitalistischen Produktionsprozess, es erfolgt eine Konstruktion des Bürgers als Unternehmer.

Polizeisendungen:
Darstellung des repressiven Staatsapparates durch bürgerorientierte Polizisten, der Bürger im Kontext der Exekutive.

Gerichtshows:

Es erfolgt eine narrativ abgeschlossene Einpflanzung des Rechts in den Alltag. Hierbei findet Identifizierung und Einführung von Moral und Norm über die Rechtsprechung statt, der Bürger handelt dann moralisch wenn er sich an die Gesetze hält.
Recht wird als etwas Alltägliches dargestellt.
These: Aktivierung des Bürgers zum Gebrauch des Rechts zum eigenen Vorteil, zur Vertretung der eigenen Interessen im Rahmen der jeweiligen Gesetze.

Grundlegende These

Es ist eine Transformation in den Kulturpraktiken des gegenwärtigen Fernsehens festzustellen, diese hängt zusammen mit dem Selbstverständnis und dem Eigenauftrag der Medien.
In diesem Kontext ist die sogenannte Biopolitik nutzbar, diese:
  • zielt auf den gesellschaftlichen Körper insgesamt
  • zielt auf das Individuum selbst -> Körper und Geist werden dabei zum Objekt des Wissens
  • es existiert ein „pastoraler Geist“ des Staates, ein Konzept vom Staat als „Hirte“

Grundlegende Analysefragen:
  • Was sind die Subjekte einer Sendung?
  • Was sind die Affekte in der Gesellschaft?
  • Wie kommt es zur Aktivierung des Bürgers?

Literatur:
Foucault „Geschichte der Gouvernementalität“ & „Geburt der Biopolitik“

Mittwoch, 2. November 2005

Medienanalyse: Geschichtsfernsehen - Auszüge

Bearbeitung des Themas in den drei Arbeitsgruppen "Ostalgie", Doku-Drama" und "Dokumentation".

Dokumentation - Gedenktage
WDR-Dokumentation zum 9. November 1989
- zu Beginn Divergenzen zwischen Bild und Ton, z.B. Bild vom Mauerbau mit Zitat "Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen".
- Zum "positiven" Ende hin nahezu keine Divergenzen, tendenziell Zusammenspiel der verschiedenen Elemente, z.B. Bild vom Mauerfall mit Lied "Wind of change"
- kontinuierliche Darstellung der DDR anhand militärischer Institutionen

Doku-Drama mit dem Beispiel "Die Manns"
Visualisierung von Geschichte
Selektionskriterien:
- historische Personen
- Männer
- Deutsche
-> im Allgemeinen: Biographien großer oder gefährlicher Deutscher, die außerhalb des Fernsehens Berühmtheit erlangt haben, werden visualisiert.
Verfahrensweise:
- Musik
- Darstellung der (historischen) Vorgeschichte
- Fotos & inszeniertes Familienleben
- Geschichte zu Geschichten
- „Lebendige Geschichtsschreibung“
- Historizität & Verlebendigung
- Historischer Ort wird aufgesucht und dient als Set
- Erinnerung als Verschmelzung von 2 Dokumentaraufnahmen (Gegenwart und Vergangenheit)
- Zeugenschaft & Expertenwissen durch (noch) lebende Personen

Ostalgie-Sendung(en)
"Meyer & Schulz - die Ostalgie-Sendung"
Sendungstyp:
- Showformat
- Darstellung der positiven Seiten als Maßnahme der Konsensbildung
Darstellungsformen:
- tendenziell junge Menschen treten auf
- Betonung von Gemeinsamkeiten durch Aufzeigen von Parallelen
- Spass und Wissensvermittlung
- Bedienung von Stereotypen
Visualisierung:
- Geschichte in schnellen Einzelbildern ohne Kausalitäten und kontinuierlichen Abfolgen
- Fragmentierte Darstellung

Geschichtspolitiken des Fernsehens

Auf Basis der Annahme das sich Wissen aus der medialen Darstellung generiert, erfolgte die These das Medien einen großen Anteil an der Formierung von Geschichte haben.
Deutungen der Vergangenheit machen den Ist-Zustand plausibel und können Hinweise auf mögliche zukünftige Handlungsoptionen bieten.

In der näheren Auseinandersetzung mit der medialen Darstellung von Historie lassen sich folgende Faktoren und Elemente herausstellen:
  • Vergessen bildet den zentralen Bestandteil
  • es erfolgt eine Begrenzung des Sag- und Sehbaren
  • die Produktion narrativer Kausalitäten wird vermehrt über Personen realisiert -> Personalisierung
  • Zeitungen und Experten sind wichtige Bestandteile der Darstellung
  • es erfolgt eine Vermittlung von zentralen Wertvorstellungen
  • Verfestigung einer spezifischen Zeremonie
  • historische Bedeutung wird produziert
  • eine Homogenisierung der Geschichtsdarstellung findet statt
  • bei der medialen Darstellung handelt es sich zumeist um Bildmonumente, keine belegbaren, historischen Dokumente, es ist keine Orts- und/oder Zeitangabe möglich oder vorgesehen
Generell festzuhalten ist noch der hohe Stellenwert des Mediums Fernsehen für historische Erinnerungen, die Ausgestaltung und Wahrnehmung von Medienereignissen als rituelle Gedenkfeiern.

Medienanalyse: Nachrichten & Magazine - Auszüge

Anhand des vorgestellten Analyserasters erfolgte eine Analyse verschiedener Sendungen in drei Arbeitsgruppen. Die jeweiligen Ergebnisse sind danach im Plenum präsentiert worden.

Analyseergebnisse

"Hart aber fair - Bildungsniveau"
Analyseteil: Anmoderation
Themenwahl aufgrund von Relevanz und Aktualität: Veröffentlichung der OECD-Studie -> negativer Entwicklung

Konzept der Sendung:
Gäste:
- Bekanntheit oder Macht vorausgesetzt
- Funktion + Position als Auswahlkriterium: Die Ministerin als Verantwortliche und Entscheiderin; Der Unternehmer als Betroffener und Kritiker; Der Vater als Betroffener, Kritiker und Beobachter; Der Experte als Wissensträger

Gruppen & Positionen:
- Moderator als Anwalt
- Kopplung des Moderators an "uns" (Zuschauer)
- Identifikationsangebote

Visualisierung:
- Präsentation des Meinungsspektrums durch die Gäste
- Kamera als beobachtendes Subjekt
- hierarchische Position des Moderators verstärkt
- Arena / Forum

"Mittagsmagazin Nachrichten"
Textuelle Verfahren:
- divergente Kameraperspektiven in den einzelnen Beiträgen zur Untersützung der Inhalte
- Themen-Reihenfolge nach Grad der Wichtigkeit und allgemeingültigen Kategorisierungen ( Bsp.: Weltweit-Europa-National)

Bedeutung:
- Adressierung
- Konsensbildung

Selektionskriterien:
- Relevanz
- Aktualität
- Personenzentrierung

"9-11 - Newsfeature"
Journalistische Routine unterbrochen durch Dimension des Ereignisses.
Handlungsmuster definieren die Struktur der Sendung.
Verarbeitung der Nachricht durch routinierte Verfahrensmuster, welchen auf Stichworte und Verknüpfungen basieren.

Information! Alles was wir von der Welt wissen, wissen wir aus den Medien

Als Einführung für die anschließende Medienanalyse in Arbeitsgruppen zum Thema "Nachrichten & Politmagazine" wurde ein basales Analyseraster vorgestellt.

Die grundlegende Fragestellung lautete "Wie funktioniert eine Nachrichtensendung?", weitergehend spezifiziert durch die Fragen:

  1. Was wird überhaupt in den Nachrichten zum Thema?

  2. Mit welchen Verfahren werden die Ereignisse dargestellt?

  3. Wie erhalten diese Nachrichten gesellschaftliche Bedeutung und Status?

Hierzu werden die Elemente Selektoren, Textuelle Verfahren und Bedeutung/Wahrheit/Objektivität herangezogen.

Selektoren:
Unter diesem Begriff werden die Kriterien welche zur Auswahl der Nachrichten führen subsumiert. Dazu gehören Relevanz (anhand der Faktoren Macht und Lokalität), Aktualität (mit den Faktoren Standardisierung und Überraschung), Norm und Moral sowie die Zurechnung auf Personen und Handeln.

Textuelle Verfahren:
Im Bereich der textuellen Verfahren wird auf die Frage der Perspektive, das komplexe Wechselverhältnis von Bild, Ton und Text, auf Ordnungsprinzipien und beteiligte Stimmen (z.B. Sprecher, Reporter, Politiker) mit ihren Hierarchien eingegangen.

Bedeutung/Wahrheit/Objektivität:
Unter diesen Aspekten stellt sich vor allem die Frage wie Nachrichten diese erhalten. Daher werden die Konstruktion einer Außenwelt, die Addressierung der ZuschauerInnen und die Erforschung und Definition des zugrundeliegenden Konsens untersucht.

Information

In dem 4-tägigen Workshop wird konkret gezeigt, wie durch die Produktionsstrukturen der Medien, durch Auswahl und Schnitt etc. Bedeutung entsteht und warum auch ›investigativer Journalismus‹ manchmal nicht ausreicht. Nach kritischer Analyse von Fernseh- und Printmaterial werden Möglichkeiten selbstbestimmter Öffentlichkeit jenseits einer ›Kritik mit der Fernbedienung‹ diskutiert.

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Abschlussdiskussion

Literatur

Dayan / Katz (2002) Medienereignisse.
In: Ralf Adelmann u.a. (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft.

Habermas, Jürgen (1998) Faktizität und Geltung.
Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats.

Hall, Stuart (2002) Die strukturierte Vermittlung von Ereignisse.
In: Ralf Adelmann u.a. (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft.

Kocyba, Hermann (2004) Aktivierung.
In: Bröckling, Ulrich u.a. (Hg.):Glossar der Gegenwart.

Link, Jürgen (1994) Grenzen des flexiblen Normalismus?
In: Schulte-Holey (Hg.):Grenzmarkierungen. Normalisierung und diskursive Ausgrenzung.

Marchart, Oliver (2005) Der Apparat und die Öffentlichkeit. Zur medialen Differenz von >Politik< und >dem Politischen<.
In: Gethmann / Stauff (Hg.) Politiken der Medien.

Oy, Gottfried (2003) Vom Kampfbegriff zur elektronischen Demokratie.
Kritische Publizistik, Gegenöffentlichkeit und die Nutzung Neuer Medien durch soziale Bewegungen. In: Peripherie, 92, 23, S. 507-523

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