Donnerstag, 3. November 2005

Medien & Identitätspolitik

Unter der Prämisse das Politik steuern muss, stellt sich die Frage ob Medien Selbststeuerungsfunktion übernehmen können?
Es sind folgende Gesellschaftstypen, welche mit Regierbarkeit zusammenhängen, existent:
  • Disziplinargesellschaft
  • Kontrollgesellschaft (Einhaltung von Regeln wird kontrolliert)
  • Gesellschaft, deren Mitglieder Selbststeuerung übernehmen

Der eigentliche Ausgangspunkt sind die Annahmen das sowohl mit Vergangenheit als auch mit dem Orientierungssystem eines Individuums, als auch mit Idenität, Politik gemacht werden kann.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, was geschieht zu diesem Zweck in den Medien?

Beispiel: Malcolm X (Filmbiografie von Malcolm Little, 1992, Regie: Spike Lee)

  • Nachruf am Ende des Films, anschließend Anruf/Aufruf, völlig unsentimentaler Schluss: statt dessen ein eher militanter Appell.
.
  • Mit der Bennung "Malcolm X" verbindet sich die Option das jeder diese Identität annehmen kann, "X" steht hier im Sinne von x-beliebig, wie am Ende des Films dargestellt wird.
  • Malcolm X’ Testament wird durch Identitätsaneignung vollstreckt

Beispiel: Kampagne „Du bist Deutschland“ (2minütige Werbesendung)

Der Werbespot ist als Modell der Identitätspolitik zu verstehen.
Potentielle Reaktionen auf den Spot:

  • „das ist eine einzige Qual“ (körperliche Abwehr)
  • Frage nach Verantwortlichkeiten (Wer steht dahinter? Was soll das?) – Hintergrundwissen und Aufklärung werden hinterfragt
  • Gedanken/Ahnung: handelt es sich um einen institutionalisierten Diskurs? – Diskurstaktik: wie kann das Gesehene unterminiert werden (d.h. überbieten oder umpolen)
Weitere Arten des Umgangs: medienwissenschaftliche Perspektive (Betrachtung als Medienprodukt) und medienwissenschaftliche Untersuchung der Kampagne:
  • Frage nach dem Format 
  • Frage nach dem Zeitpunkt 
  • Gestaltung und Struktur 
  • Vergleich mit anderen Appellen möglich, um das Spezifische abzuleiten (z.B. Nitzsche: „Werde du selbst!“ oder „Wir sind Papst!“).
  • Gibt es medienpolitische Maßnahmen, um unsere Identität zu erweitern? – Spot unterstützt bei der Beschäftigung mit dieser Frage.

Elemente der anschließenden Diskussion:

  • Abgrenzung z.B. zu nationalsozialistischen Parolen: Herstellung einer Gemeinschaft anstatt „Stolz“
  • Betonung des Zusammenschlusses anstatt der Abgrenzung
  • Aufforderung zur Selbstsorge, anstatt auf staatliche Leistungen zurückzugreifen 
  • ökonomische Fragestellungen
  • Heterogenität innerhalb des Spots, die zu einer Einheit zusammengefasst wird, kann insofern problematisiert werden, weil sie die Definition eines „Außen“, das nicht dazugehört, provoziert
  • „Du bist Deutschland“ ist schwierig, weil die Formulierung zwar auf Gemeinsamkeiten (Identität) zurückgreift, aber grundlegende Unterschiede und Differenzen ignoriert.

Medienanalyse: Unterhaltungsformate, Talk- & Gerichtsshows - Auszug

Arbeitsgruppe "Dismissed (mtv)"

Thema der Gruppendiskussion ist die Analyse der Ökonomisierung des Sozialen an Hand der Sendung. Darunter ist die Transformation der Alltagssphäre insofern zu verstehen, als das eigene Selbst als potentielles Humankapital aufgefasst wird.

Die Untersuchung erfolgt aus zwei Perspektiven: Wie erfolgt die Konstruktion von Figuren durch formale Verfahren (Schnitt, Bild usw.)? Was sind die Effekte für die Zuschauer?

Welche Persönlichkeitsmerkmale spielen also eine Rolle für die Konstruktion von Profil oder Humankapital einer Person?

Erarbeitet wurden die folgenden Kriterien:
Ästhetik / Verfahren
  • Abfolge: Präsentation und Inszenierung von Protagonisten
  • Splitscreen-Verfahren
  • Ton / Musik
  • Einstellung: Großaufnahme – Nah – amerikanisch -> Körper
  • Text / Sprache / Jargon
  • Setting / Location
  • Schnitt / Zeitstruktur
Bereich des Alltags / Kultur
  • Inhalt von Text/Sprache
  • Selbstinszenierung / Rollenverhalten, „Lifestyle“
  • „Coolness“
  • Konkurrenzverhalten
  • binäre Opposition: „Körper/Distanz“ -> Objekt des Begehrens
Wissen/Effekte des „Selbst“
  • Vergleich: Selbstdarstellung
  • Herstellung von „Äquivalenzen“ (Personen müssen vergleichbar gemacht werden, um feststellen zu können, wer besser abschneidet) -> „reine Formen“ von Konkurrenz
  • Normalisierung? / Optimierung
  • Zielgruppe
  • -> das eigene „Humankapital“ einschätzen
  • Konzept der Selbstaktivierung
  • permanente Selbstoptimierung
  • -> „Vernunft“ vs. „Selbst“

Die Selbstaktivierung des Bürgers durch das Fernsehen

Es findet eine Abkehr vom Habermas´schen Öffentlichkeitsbegriff statt, da Kulturpraktiken, die durch die Medien produziert werden, festgestellt werden sollen.

Zu Beginn wurde ausgeführt, dass eine Transformation in den Kulturpraktiken des gegenwärtigen Fernsehens in Deutschland festzustellen ist. Diese hängt zusammen mit dem Selbstverständnis und dem (Eigen-)Auftrag der Medien, dieser hat sich auf Basis der
Veränderung des Selbstverständnisses der Medien vom zur Verfügung stellen von Wissen hin zur Selbstwahrnehmung als Dienstleistungsproduzenten mit den Zuschauern als Kunden verändert.

Es geht insofern nicht nur um Informationsvermittlung, sondern auch um „Dienstleistungen“ gegenüber „Kunden“.Diese Kunden nutzen die Medien für die Erfüllung der eigenen Interessen.
Es existiert eine Veränderung des Selbstverständnisses der Medien von „Wissen zur Verfügung stellen“ hin zum Dienstleistungsproduzent en (Zuschauer als Kunden)

Von der Aktivierung zur Selbstaktivierung (Beispiele)

Kampagne "Du bist Deutschland":
Die Medien entwickeln ein Profil für die Zuschauer, damit diese fit werden für den kapitalistischen Produktionsprozess, es erfolgt eine Konstruktion des Bürgers als Unternehmer.

Polizeisendungen:
Darstellung des repressiven Staatsapparates durch bürgerorientierte Polizisten, der Bürger im Kontext der Exekutive.

Gerichtshows:

Es erfolgt eine narrativ abgeschlossene Einpflanzung des Rechts in den Alltag. Hierbei findet Identifizierung und Einführung von Moral und Norm über die Rechtsprechung statt, der Bürger handelt dann moralisch wenn er sich an die Gesetze hält.
Recht wird als etwas Alltägliches dargestellt.
These: Aktivierung des Bürgers zum Gebrauch des Rechts zum eigenen Vorteil, zur Vertretung der eigenen Interessen im Rahmen der jeweiligen Gesetze.

Grundlegende These

Es ist eine Transformation in den Kulturpraktiken des gegenwärtigen Fernsehens festzustellen, diese hängt zusammen mit dem Selbstverständnis und dem Eigenauftrag der Medien.
In diesem Kontext ist die sogenannte Biopolitik nutzbar, diese:
  • zielt auf den gesellschaftlichen Körper insgesamt
  • zielt auf das Individuum selbst -> Körper und Geist werden dabei zum Objekt des Wissens
  • es existiert ein „pastoraler Geist“ des Staates, ein Konzept vom Staat als „Hirte“

Grundlegende Analysefragen:
  • Was sind die Subjekte einer Sendung?
  • Was sind die Affekte in der Gesellschaft?
  • Wie kommt es zur Aktivierung des Bürgers?

Literatur:
Foucault „Geschichte der Gouvernementalität“ & „Geburt der Biopolitik“

Information

In dem 4-tägigen Workshop wird konkret gezeigt, wie durch die Produktionsstrukturen der Medien, durch Auswahl und Schnitt etc. Bedeutung entsteht und warum auch ›investigativer Journalismus‹ manchmal nicht ausreicht. Nach kritischer Analyse von Fernseh- und Printmaterial werden Möglichkeiten selbstbestimmter Öffentlichkeit jenseits einer ›Kritik mit der Fernbedienung‹ diskutiert.

Zufallsbild

Praesentation-9-11

Literatur

Dayan / Katz (2002) Medienereignisse.
In: Ralf Adelmann u.a. (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft.

Habermas, Jürgen (1998) Faktizität und Geltung.
Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats.

Hall, Stuart (2002) Die strukturierte Vermittlung von Ereignisse.
In: Ralf Adelmann u.a. (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft.

Kocyba, Hermann (2004) Aktivierung.
In: Bröckling, Ulrich u.a. (Hg.):Glossar der Gegenwart.

Link, Jürgen (1994) Grenzen des flexiblen Normalismus?
In: Schulte-Holey (Hg.):Grenzmarkierungen. Normalisierung und diskursive Ausgrenzung.

Marchart, Oliver (2005) Der Apparat und die Öffentlichkeit. Zur medialen Differenz von >Politik< und >dem Politischen<.
In: Gethmann / Stauff (Hg.) Politiken der Medien.

Oy, Gottfried (2003) Vom Kampfbegriff zur elektronischen Demokratie.
Kritische Publizistik, Gegenöffentlichkeit und die Nutzung Neuer Medien durch soziale Bewegungen. In: Peripherie, 92, 23, S. 507-523

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 6760 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 12. Dez, 09:30

Credits


Analyse
Inhalte
Intro
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren